DIE KUNDENLOYALITÄT SINKT, DIE KUNDENBINDUNG STIRBT


 

Viele Faktoren sprechen dafür, dass Kundenloyalität nicht mehr in der Form existiert, wie wir sie bisher kannten. Seien es Studien oder Umfragen alle Stimmen beurteilen die potenzielle Loyalität der Kunden sehr skeptisch – in unterschiedlichem Maße, aber der Tenor ist gleich.

 

Wenn Onlinekunden von einem Shop begeistert waren, kommen nur 31 Prozent wieder. Und fast ein Viertel sagt gar, dass ihnen Einkaufserlebnisse beim Onlineshopping egal sind. Der stationäre Handel bleibt von dem Effekt nicht verschont, aber online ist die „Untreue“ der Kunden noch deutlich ausgeprägter.

 

Das Absinken der Kundenloyalität hat in den 90er Jahren begonnen und nimmt bis heute immer stärkere Formen an. Es dauert nicht mehr lange und das Fazit lautet: Stammkunden, die gerne und automatisch wieder zum selben Anbieter zurückkehren, um dort einzukaufen, existieren nicht mehr.

 

Wieso Kunden nicht mehr loyal sind

 

In jedem Zeitalter gibt es Unternehmen, die mit technologischen oder wirtschaftlichen Veränderungen auch Veränderungen in der Gesellschaft herbeiführen. In den 90er Jahren begann Jeff Bezos mit Amazon Maßstäbe für den Onlinehandel zu setzen. Vergleichbar mit dem Pariser Erfinder des Kaufhauses, Aristide Boucicaut von „Le Bon Marché“, der Festpreise, Umtausch-Service und zwangloses Bummeln ohne Kaufverpflichtung einführte, begann Bezos eine reibungslose und zuverlässige Logistik mit pünktlicher Lieferung und eine absolute Kundenzentrierung verbunden mit kompromisslosem Kundenservice zum Branchenstandard zu machen. Nicht zu vergessen: ein gigantisches Sortiment.

 

Früher konnten eine zuverlässige Logistik, Kundenzentrierung und Kundenservice zur Differenzierung eines Unternehmens beitragen, heute sind es reine Hygienefaktoren. Ein Begriff des Psychologen Frederick Herzberg, der für Faktoren steht, die dazu beitragen, dass jemand nicht unzufrieden ist. Damit kein Missverständnis entsteht: Liegen keine Gründe zur Unzufriedenheit vor, dann ist derjenige nicht automatisch zufrieden. Hygienefaktoren tragen nicht zur Zufriedenheit bei, sondern werden vom Menschen als selbstverständlich betrachtet. Lediglich ihr Fehlen wird als Mangel bemerkt und erzeugt somit Unzufriedenheit.

Es gilt zu verstehen, dass die bisherigen Antworten auf die Frage, was Kunden loyal werden lässt, nicht mehr stimmen. Usability, Lieferwünsche erfüllen, Kundenservice, Sortiment, das sind alles nur noch Hygiene-Faktoren, keine Gründe mehr für einen erneuten Einkauf. Es sind nur noch Gründe, die nicht gegen einen erneuten Einkauf sprechen.

 

Die neue Plattform-Ökonomie verschärft die Lage

 

Bezos Vorsprung bei dieser Thematik führt Amazon an eine einzigartige Position: Amazon ist selbstverständliche Anlaufstelle für die Produktsuche geworden, die treuen Prime-Kunden vergleichen gar keine Preise mehr rechts und links von Amazon, kurz: Die Kundenloyalität gegenüber Amazon ist extrem hoch. Kombiniert mit der Marktstellung von Amazon schafft das ein weiteres Problem für den Händler während der Jagd nach Loyalität  auf dem Marktplatz Amazon. E-Commerce-Berater Adrian Hotz sagt: „Unter sonst gleichen Bedingungen (Verfügbarkeit, Lieferzeit, Preis) kaufen Kunden immer lieber bei Amazon, nicht beim Marktplatz-Händler.“

 

Die bittere Wahrheit für alle, die jetzt eine Lösung für das Dilemma erwarten: Es gibt keine Lösung. Die Kundenloyalität, wie wir sie bisher kennen, ist tot. Mit generischen Produkten und der bestmöglichen Erfüllung der Hygienefaktoren ist heute kein Kunde mehr zu binden. Jedes Unternehmen muss sich bewusst sein, dass der Name dieser Maßnahmen falsch ist: „Kurzlebige Kundenreaktivierungsmaßnahmen“ wäre zutreffender.

 

Zusammen mit dem Sozialpsychologen Professor Erb und Dr. Andreas Brandenberg, der ein wissenschaftliches Instrument zur Messbarkeit der echten Kundenzentrierung entwickelt hat, wurde über Kundenzentrierung und Kundenbedürfnisse diskutiert.

 

Brandenberg sagt: „Unternehmen sehen ihre Aufgabe vor allem in der Abarbeitung von Kundenwünschen und weniger im Adressieren von echten, oft versteckten Kundenbedürfnissen.“ In zahlreichen Unternehmen würde deshalb ausschließlich an den Symptomen einer mangelhaften Erlebnisgestaltung, wie Churn, Umsatz oder Loyalitätsrückgang gearbeitet. „Die Unternehmen konzentrieren sich auf Kundenbindung, Kundenbeeinflussung und kurzfristige Absatzziele.“, so Brandenbergs Ausführungen. Ein Phänomen, das mit den gleichen Worten Standardwerkzeuge der Kundenbindung beschreiben könnte.

 

Das wirft die Frage auf, was denn „echte, oft versteckte Kundenbedürfnisse“ sein können? Sozialpsychologe Erb führt dazu den psychologischen Begriff des "Need for Uniqueness" ins Feld: „Dahinter steht das Bedürfnis des Menschen, als Individuum wahrgenommen und entsprechend behandelt zu werden.“ Menschen mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Einzigartigkeit wünschen sich einmalige und möglichst exklusive oder sogar individualisierte Produkte oder Dienstleistungen. Dabei würde es nur teilweise um personalisierte Produkte, sondern vielmehr um eine persönliche Gestaltung der Kundenansprache und -beziehung im Kontakt gehen, so Erb weiter.

 

Vollständiger Artikel unter: 

http://t3n.de/news/kundenloyalitaet-loyalitaet-kundenbindung-e-commerce-792541/